Montag, 21. Juni 2010

Pholosophisches. Schwere Kost am Abend. Teil 1. Vielleicht bleibt es auch bei Teil 1

Wo ich so am Räumen und am Kramen und am Wegwerfen bin - jaja. Es geht schon wieder um den Umzug...  - höre ich mich immer wieder zu anderen sagen, daß es mir nichts ausmacht, den größten Teil unseres Hausstandes zu verkaufen. "Den Krempel loswerden"; "Ausmüllen" so nenne ich es. Traurig, nicht wahr? Nein, und jetzt kommt mir keiner damit, daß es gut tut, auszumisten, denn genau darum geht es hier. Nicht um das Ausmisten an sich, sondern um das, was man da eigentlich ausmistet.

Und tatsächlich wird mir dabei immer bewußt, daß es die Wahrheit ist: wir sind gerade dabei, unsere Möbel zu verkaufen, den Kleinkram loszuwerden, den Rest an die Wohlfahrt zu verschenken und das, was keiner haben will, wegzuwerfen. Auf die Frage hin, was wir denn eigentlich mitnehmen wollen, wußte ich keine vernünftige Antwort. Schulterzucken. Mitnehmen werden wir Kleinkram. Ein paar Bücher, die ultratolle Kaffeemaschine, den Werkzeugkasten, ein paar Kleider, ein paar Spielzeuge des Kleinen.

Leid tut es mir kein bißchen. Sicher, ich mag unsere Möbel, ich habe gerne in ihnen und mit ihnen gelebt. Aber mein Herz hängt nicht daran, ich kann sie einfach so weggeben. Und das ist genau das Problem: mein Herz hängt nicht daran. Ein wenig unheimlich wird mir bei diesem Gedanken. Wir belasten uns mit Dingen, an denen wir nicht hängen, die ersetzbar sind, die wir einfach so weggeben können, wegwerfen können. Kurz gesagt: wir umgeben uns mit wertlosem Krempel. Wir misten das aus, woran wir sowieso nicht hängen. Gut, meine Nähmaschine ist ein kleines Opfer, ebenso wie das Mopped.

Dabei hat es nichts damit zu tun, wie teuer eine Sache war. Wertloser Krempel wird es, sobald man anfängt, diesem Gegenstand keinen Wert beizumessen, ihn mit einem Schulterzucken abzutun. Oder um es plastischer auszudrücken: der tollste 100.000-Euro-Wagen kann weniger Wert haben als die erste Schrottkiste, die man sich mühsam vom Munde abgespart hat. Dieser Krempel belastet im Grunde, denn eigentlich, wenn man ganz ehrlich ist, will man ihn gar nicht haben. Aber Trennung fällt auch so schwer. Und daher behält man das ganze Zeug und ist irgendwie auch nicht zufrieden.

Es läßt sich kaum vermeiden, wir sammeln Krempel an über die Jahre. Wir kriegen Zeug geschenkt, es läuft einem zu, verlockt in den Läden. Aber vielleicht kann ich, wenn ich mir das bewußt vor Augen führe, in Zukunft vermeiden, eine solche Menge an Krempel anzusammeln, der mich am Ende ja doch nur eher belastet, von dem ich froh bin, wenn ich mich trennen kann. Denn ist es letzten Endes nicht schöner, in und mit Dingen zu leben, an denen das Herz hängt? Das Designergeschirr links liegen zu lassen, um den Kaffe aus der Kaffeetasse zu schlürfen, an der man hängt und wenn sie noch so sehr Katschen hat? Der abgeschrabbelte Schrank, der einem so viel bedeutet, weil er von Oma ist? Oder das fürchterlich häßliche Undefinierbare, das von glücklicher Kindeshand zum Muttertag gefertigt wurde, das stolz am besten Platz in der Wohnung ins rechte Licht gerückt, während der Beuys in der Ecke von Spinnweben umrankt wird? Den chinesischen Plastikmüll da zu lassen wo er hingehört und sich lieber mit einigen wenigen Dingen umgibt, die etwas bedeuten?

Aber wenn ich so nachdenke, dann fällt mir ein, daß es ganz so hoffnungslos nicht ist. Der Fotoapparat, mit dem ich mich stundenlang beschäftigen kann und der zum Mittel für meine Kreativität geworden ist. Das Gekrakel, das der Kleine stolz aus dem Kindergarten angeschleppt hat. Das Namensbändchen aus dem Krankenhaus. Die Kaffeemaschine, weil die so schön Krach macht und gleichzeitig wunderbaren Kaffee. Es gibt eben doch nicht nur wertlosen Krempel hier im Haus, sondern das sind die Dinge, die ich mitnehmen werde. Irgendwie ist das schön. Ich darf den Krempel loswerden und die Dinge mitnehmen, die mir etwas bedeuten.Und genau darum geht es ja beim Ausmisten.

Ich mag Rilke. Besonders, wenn ich mich mit solchen Fragen beschäftige:

„Indem ich das ausspreche (hören Sie?) entsteht eine Stille; die Stille, die um die Dinge ist. Alle Bewegung legt sich, wird Kontur, und aus vergangener und künftiger Zeit schließt sich ein Dauerndes: der Raum, die große Beruhigung der zu nichts gedrängten Dinge.

Aber nein: so fühlen Sie die Stille noch nicht, die da entsteht. Das Wort: Dinge geht an Ihnen vorüber, es bedeutet Ihnen nichts: zu vieles und zu gleichgültiges. Und da bin ich froh, daß ich die Kindheit angerufen habe; vielleicht kann sie mir helfen, Ihnen dieses Wort ans Herz zu legen als ein liebes, das mit vielen Erinnerungen zusammenhängt.

Wenn es Ihnen möglich ist, kehren Sie mit einem Teile Ihres entwöhnten und erwachsenen Gefühls zu irgendeinem Ihrer Kinder-Dinge zurück, mit dem Sie viel umgingen. Gedenken Sie, ob es irgend etwas gab, was Ihnen näher, vertrauter und nötiger war, als so ein Ding.
(Rilke, Auguste Rodin)
(Ach ja, mein Prof meinte nach der Prüfung zu mir, daß ich nicht so wirklich der Denker-Typ sei, nicht so wirklich ein intellektueller Luftikus, sondern eher etwas Handfestes brauche. Sobald ich am Ding, d.h. Kunstwerk, arbeiten darf, bin ich gut (weil es macht mir mehr Spaß?) - das zeigte sich deutlich in meiner Dissertation. Geistesakrobatik hingegen sollte ich lieber lassen...ja, ich stimme ihm zu, Philosophie ist meine Sache nicht, aber das heißt nicht, daß ich nicht manchmal vor mich hinfilosofiere ;-))

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