Ich merk es schon: so ein tägliches Projekt, das ist nichts für mich. Wie ich gestern schon sagte, fehlt die Ruhe, dann hetzt man hier hin und da hin, zur Bank, zum Friseur und überhaupt, dann futtert das Kind das Motiv auf oder räumt es wieder weg, weil "da gehört das nicht hin, ich leg das in die Spüle" und so weiter.
Aber als ich heute so ganz vorwurfsvoll zum urlauber sagte, daß ich ja gaaaar keine Zeit zum Photographieren gehabt hätte und überhaupt, da hat er mich, nicht ganz unrichtig, korrigiert: "Öh? Du hast doch den ganzen Tag gelesen?" (Famose Sache, wenn der Gatte Urlaub hat!)
Ähm. Ja. Habe ich. Aber was muß der neueste Band von der George auch so spannend sein? Nachdem mich das letzte Buch der George, das ich angefangen hatte, so enttäuscht hat, habe ich das jetzt nicht erwartet. Gut, es war ein bißchen zuviel der Kleiderfrage und ein bißchen langatmig vielleicht auch und die neue Acting Superintendent oder wie auch immer war mir eher unsympathisch und zu einem Teil ist das Beschriebene nur sehr schwer zu ertragen...593 Seiten, kleiner Druck, großes Paperback und teilweise schwieriges Englisch - zum großen Teil versucht George in ihren Büchern den Rederhythmus und die Sprache der Leute auch im Dialog miteinander wiederzugeben; das macht es schwierig, denn die umgangssprachlichen Wendungen, die Abkürzungen etc. sind nicht vertraut. Etwa so, als würde ein Bayer versuchen, Kölsch zu lesen. Geht, ist aber ein bißchen mühsam. Nun ja, wenn ich amerikanisches Gewäsch lesen wollen würde...
Also, Eine Frau wird - ausgerechnet - auf einem Friedhof ermordet. Das Team um Barbara Havers mit dem neuen Boss wird gerufen, den Fall aufzuklären. Nach und nach tauchen Fragen auf: warum ist Jemima aus Hampshire geflohen, ohne jemandem zu sagen, wohin und warum? Warum brach sie mit ihren Freunden und dem Mann, den sie eigentlich heiraten wollte? Was haben ihre Mitbewohner damit zu tun? Und was ist mit der neuen Frau an der Seite des Ex-Freundes? Und am wichigsten vielleicht: wer waren alle diese Leute, die mit Jemima zu tun hatten, sind sie das, wofür man sie hält. Die Ermittlungen laufen ins Leere und Inspector Lynley wird wieder an Bord gerufen. Nach und nach zeigt sich, daß das Verbrechen um Jemima eine ganz andere Dimension hat, als anfänglich angenommen.
Es ist eigentlich von Anfang an klar, daß der Hauptverdächtige nicht der Schuldige ist, das wäre zu offensichtlich. Elizabeth George entwirft ein verzwicktes, verwickeltes Szenario um den Mord, der am Ende aus ganz anderen Gründen geschehen ist als man am Anfang angenommen hat. Besonders viel Wert wird auf die Charakterentwicklung der Protagonisten gelegt, man hat - anders als bei so vielen Büchern - das Gefühl, daß es sich um "wirkliche" Leute handelt und nicht nur um bloße Scherenschnitte um das Buch zu füllen. Gegen Ende hin wird deutlich wieso und warum alles passiert ist und etwa gegen Mitte des Buches wird eigentlich klar, wer der Killer war. An Spannung verliert das Buch trotzdem nicht, denn man will nicht wissen, ob der Killer gefaßt wird, sondern was die Leute machen, welche Motive sie für ihre Taten hatten, warum sie so handeln, wie sie handeln.
Fazit: lesenswert. Ein neues, gutes und sehr fesselndes Buch von der George, das an einigen Kleinigkeiten krankt wie z.B. der unsympathischen Neuen oder der Kleiderfrage, die unnötig Verwirrung stiftet oder auch der einen Person, die in den Verdächtigenkreis rückt, aber am Ende verschwindet, so daß man sich fragt, was das sollte und wozu die Figur, die eigentlich offensichtlich als möglicher Killer erdacht wurde, überhaupt da ist, wenn sie so schnell wieder an den Rand gedrängt wird. Auch der Polizist in Hampshire ist nicht ganz einleuchtend, aber das sind wirklich nur Kleinigkeiten. Ich jedenfalls habe mich die letzten Tage nicht davon losreißen wollen.
1 Kommentar:
Ich habe auch einige Bücher von ihr gelesen und fand sie sehr spannend. Aber seit längerem habe ich einfach keine Muße mehr, mich mit einem Buch in Englisch zu beschäftigen; ich bin ja manchmal sogar zu müde, um noch ein Buch auf Deutsch zu verstehen :(
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