"Aber Claude, der zurückgeblieben war, hörte, wie das Gelächter immer mehr zunahm, ein lauter werdendes Geschrei, das Tosen einer hochgehenden Flut. Und als er endlich in den Saal hineinkam, sah er Haufen von Menschen, eine riesige, durcheinanderwimmelnde Masse, die sich vor seinem Bild schier zerquetschte. Hier schwoll das ganze Gelächter an und entfaltete sich. Über sein Bild also lachte man. [...] «Oh, so ein Ulk!» Und die geistvollen Bemerkungen regneten noch dichter als woanders, vor allem das Thema peitschte die Heiterkeit auf: man verstand nicht, man fand das unsinnig [...] Wer nicht lachte, wurde wütend: dieses Erblauen, diese neue Auffassung vom Licht schien eine Beleidigung zu sein. Sollte man denn zulassen, daß die Kunst beleidigt wurde? [...] Claude wandte die Augen von der Menge ab und sah ihn schweigend an. Er war nicht schwach geworden bei diesem Gelächter, sondern lediglich blaß, und seine Lippen bewegte ein nervöses Zucken: niemand erkannte ihn, allein sein Werk wurde geohrfeigt." (Emile Zola, Das Werk, S. 149-152)
Gerade eben ist mir dieser lesenswerte Artikel vor die Augen gekommen, in dem zum Um-die-Ecke-denken aufgerufen wird, um eine eigene Bildsprache zu finden. Das ist sicher keine neue Forderung, sondern Grundvoraussetzung, wenn man kreativ arbeiten will - wer das macht, was alle anderen auch machen, ist nicht kreativ udn spricht auch keine eigene Sprache. So viel ist klar.
Das bringt mich zu meinen eigenen Bildern. Was mache ich denn da? Ich denke nicht sehr um die Ecke. Ich bin nicht kreativ. Ich mache keine Kunst. Ich mache Bilder. Die Bilder, die mir gefallen. Mir ist es verhältnismäßig egal, ob ich dabei mit dem Strom schwimme oder nicht, mir ist es auch egal, ob ich kreativ bin und ich zweifle auch nicht mehr, weil viele andere vor mir eben dieses Thema viel besser umgesetzt haben. Ich schwimme nicht gegen den Strom allein um des Schwimmens willen, um des Dagegen-Seins willen, das wäre unsinnig. Ich mache, aber ich halte mich zurück, bleibe in einem engen Rahmen, den ich mir selbst gesteckt habe. Alles, was darüber hinaus geht, ist mir zu riskant, erfodert zu viel Mut.
Ich habe für mich entschieden, daß mir das vollkommen ausreicht, denn um eine eigene Sprache zu entwickeln, um einen eigenen Stil zu entwickeln, braucht es Mut. Da werden sicher einige widersprechen, doch für mich braucht es Mut. Denn will man die eigene Sprache sprechen, die nicht im Gegacker der großen Masse untergeht, muß man ein großes Stück seiner selbst hineinlegen. Kunst erfordert Seele, ohne Seele kann keine Kunst entstehen. In gewisser Weise muß man als Künstler Exhibitionist sein oder zumindest keine Angst davor haben, sich selbst, sein Innerstes vor einer Masse zu entblößen, die einen im besten Falle nicht versteht, im schlimmsten Falle auslacht oder beschimpft.
Denn sein Werk, in das man so viel von sich selbst gelegt hat, das Baby des Geistes, den Tropfen oder auch die Ströme an Herzblut im Kunstwerk - es verlacht und beschimpft zu sehen ist ein Risiko für das Selbstwertgefühl. Als Künstler ist man immer in Gefahr, für das ausgelacht zu werden, was man ist, was man von sich zeigt. Das ist nicht immer Bosheit, sondern oft einfach Unverständnis.
Es hat auch wenig mit der Qualität der Kunst zu tun, sondern mit dem Ernst, mit dem man seine Kunst verfolgt. Ich nenne hier als Beispiel einen meiner Lieblingsmaler, Henry Rousseau. Seine Bilder sind von schmerzhafter, traumartiger Schönheit, ich könnte mir damit die ganze Wohnung zutapezieren, ohne ihrer müde zu werden, auch wenn sie zum Teil zeigen, daß die handwerklichen Fähigkeiten nicht da sind, die einen wirklich guten Künstler eigentlich ausmachen. Übrigens fand ich ihn bis zum Abschnitt in der Vorlesung, die mein Professor einmal über die Malerei in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gehalten hat, furchtbar.
Rousseau war Autodidakt. Seine ersten Bilder waren ungelenk, ungeübt, naiv, später nur noch naiv. Er hat sich jedoch immer als Künstler verstanden, obwohl die Art von Malerei, die er betrieben hat, stilistisch eigentlich eher der Bauernmalerei zuzuordnen wäre als der hohen Kunst. Mit Sicherheit ist er ausgelacht worden, nicht verstanden worden, hinterfragt worden; zumindest am Anfang. Bewundernswert ist, daß er seine Malerei verfolgt hat, trotz des totalen Andersseins von jeglicher reaktionistischer oder avantgardistischer Strömung. Er hat seine Malerei vollkommen überzeugt verfolgt. Das ist um so bewundernswerter, wenn man weiß, daß er nahezu vollkommen gegen jede Mode geschwommen ist. Und es ist Kunst, was er geschaffen hat, wunderbare Bilder.
Nur: den Mut muß man erst mal haben, vollkommen unbeirrt seinen Weg zu verfolgen. Und seien wir mal ehrlich: den Mut haben die meisten von uns nicht. Ich denke aber nicht, daß man sich deswegen geißeln sollte. Kreativität kann in gewissem Maße angekurbelt werden, aber sie ist nicht jedem gegeben und nicht jedem ist es gegeben, Kunst zu machen, selbst, wenn man kreativ ist. Das ist nichts, ist nichts weswegen man sich schämen sollte. Wirklich Kunst zu machen, das erfordert einen Ernst, einen Drang, eine Berufung, etwas, das eigentlich nur wenige verspüren, obwohl viele Kunst machen wollen. Aus den unterschiedlichsten Gründen. Aber wären wir alle Künstler, würden wir alle Kunst machen, wäre es nichts Besonderes mehr.
Ich selbst kann diesen Mut nicht aufbringen, meine Seele in meinen Bildern zu entblößen. Nicht völlig. Ein Stück, ja, aber das verlangt auch schon Mut von mir, diese besonderen Bilder zu zeigen, daher mache ich es kaum. Ich denke einfach zu sehr darüber nach, was andere von meinen Bildern (=mir) denken, frage mich, ob die meine Bilder auslachen, verspotten, die Augen verdrehen. Ich bleibe daher lieber auf der sicheren Seite. Es ist nicht so, daß ich gar nicht um die Ecke schaue, es ist nicht so, daß ich jedem Trend hinterherlaufe. Es ist einfach so, daß ich für mich entschieden habe, kein Künstler sein zu wollen, zu können. ich bin ein Feigling. Punkt. Vielleicht gelingt es mir mit den Jahren abgeklärter zu werden. Aber ich verspüre auch nicht den Drang, Kunst zu machen, unbedingt etwas sagen zu müssen, auch wenn es nicht in Worte gefaßt werden kann. Daher mache ich Bilder. Fotos. Aber keine Kunst.
(Sorry, es ist wirr, aber ich habe mal wieder kaum geschlafen, ich bin sooooo müde)
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